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Wie beeinflusst die Zinswende den Immobilienmarkt?

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Kaum jemand ist in der Lage, eine Immobilie aus eigenen Mitteln zu bezahlen. Daher wird ein Großteil der Transaktionen auf dem Immobilienmarkt mit fremden Mitteln, also Darlehen, finanziert. Worüber Sparer sich freuen, ist für Bau- und Kaufwillige eine schlechte Nachricht: die Erhöhung der Leitzinsen. Welchen Einfluss die Leitzinsen auf die Immobilienmarktentwicklung haben, erfahren Sie im folgenden Artikel.

Was ist der Leitzins?

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Am Leitzins orientieren sich die Konditionen der Geschäftsbanken. Er wird von der zuständigen Zentralbank für deren Geschäfte mit der Notenbank festgelegt. Zu diesem Zinssatz können sich Kreditinstitute Geld von der Zentralbank leihen oder bei ihr anlegen, er ist somit der Zins für den Interbankenhandel mit Zentralbankgeld. Über die Festlegung des Leitzinses steuert die Notenbank die Geldpolitik eines Wirtschaftsraums und kann das Ausmaß von Inflation oder Deflation beeinflussen.

Wer legt den Leitzins fest?

In Europa entscheidet die EZB über die Festlegung des Leitzinses. Er ist ein Instrument der Geldpolitik, weil über ihn die Wirtschaft im Gleichgewicht und die Preise stabil gehalten werden können. Daher wird er entsprechend der aktuellen Wirtschaftslage festgesetzt. Eine Leitzinserhöhung entspricht einer restriktiven Geldpolitik, weil sich damit Kredite verteuern und weniger Darlehen vergeben werden. Das führt zu einer Verringerung der in der Wirtschaft umlaufenden Geldmenge und von Investitionen. Durch eine Leitzinssenkung wird eine expansive Geldpolitik betrieben, da Darlehen billiger werden und es zu einer Ausweitung des Geldkreislaufs kommt. Damit kann eine schwache Konjunktur belebt werden.

Wieso hat sich dieser Zins zuletzt verändert?

Man bezeichnet die erste Leitzinserhöhung der EZB seit langem als Zinswende, weil die Leitzinsen viele Jahre auf einem äußerst niedrigen Niveau verharrten, seit 2016 betrugen sie 0 Prozent. Die große Finanzkrise 2007/2008 beschleunigte den seit den 1980-er Jahren tendenziellen Rückgang der Zinsen noch einmal. Die EZB versuchte, über die schrittweise Senkung der Leitzinsen das Wirtschaftswachstum anzuregen und eine Inflationsrate in der Nähe von den für die Wirtschaft als optimal erachteten 2 Prozent zu erreichen. 2022 wurde nun jedoch die Zinswende eingeleitet, der Leitzins verlässt allmählich das Nullzinsniveau.

Er muss erhöht werden, da die Inflationsraten in Deutschland und Europa inzwischen den höchsten Stand seit ca. 50 Jahren erreicht haben. Damit wird ein erheblicher Teil der Kaufkraft des Geldes vernichtet. Die Inflation begann sich, aufgrund der durch die Corona-Pandemie aufgestauten Nachfrage und gestörter weltweiter Lieferketten, zu verstärken. Hinzu kam die durch den Ukrainekrieg erzeugte künstliche Knappheit an Rohstoffen und Vorprodukten. Damit ist die Preisstabilität bei den Verbraucherpreisen für längere Zeit ernsthaft gefährdet. Die EZB sah sich deshalb gezwungen, die Leitzinsen anzuheben. Das hat nicht nur einen Effekt auf Geldanlagen, deren Zinsen ansteigen, sondern auch auf den Markt für Immobilien.

Auswirkungen auf den Immobilienmarkt

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Auf dem Markt begegnen sich Angebot an und Nachfrage nach Wohngebäuden und Gewerbeimmobilien. Eine Senkung der Leitzinsen führt zu einer gestiegenen Nachfrage nach Immobilien, weil die Kredite dafür dank niedriger Zinsen sehr kostengünstig sind. Eine Leitzinserhöhung bewirkt jedoch nicht automatisch ein Nachlassen der Nachfrage nach Grundbesitz. Denn die Zinsen für einen Baukredit oder ein Hausdarlehen hängen daneben noch von anderen Faktoren als den Leitzinsen ab. Diese bestimmen vorrangig das Zinsniveau am Geldmarkt, das heißt die kurzfristigen Zinskonditionen für Bankangebote, die Laufzeiten von bis zu einem Jahr umfassen.

Kurzfristige Geldanlagen wie Tages- oder Termingelder reagieren relativ zeitnah auf eine Veränderung des Leitzinses. Die Kreditierung eines Immobilienvorhabens dagegen erfolgt in der Regel langfristig als Annuitätendarlehen, das mit einer längerfristigen Festschreibung der bei Vertragsschluss geltenden Sollzinsen versehen ist. Daher wird eine Baufinanzierung als langfristiger Kredit über den Leitzins nur indirekt beeinflusst.

Wovon sind die Baukreditzinsen abhängig?

Primär werden die Kreditkonditionen der Baufinanzierungen von den Pfandbriefrenditen in Deutschland bestimmt, da Geschäftsbanken ihr Immobilienkreditgeschäft über die Ausgabe von Pfandbriefen refinanzieren. Die Pfandbriefrenditen wiederum orientieren sich an der Zinsentwicklung von 10-jährigen Bundesanleihen. Eine verstärkte Nachfrage nach Bundesanleihen erzeugt höhere Kurse am Rentenmarkt, sodass der deutsche Staat niedrigere Zinsen für seine Anleihen vereinbaren kann. Neben der Bonität des Schuldners fließen die Erwartungen, welche Inflation während der Laufzeit eintreten könnte, in die Rendite von Staatsanleihen ein. Da der Zins diese Inflationsprämie als Kostenfaktor enthält, sind die Baukreditzinsen mit wachsenden Inflationserwartungen bereits weit vor der ersten Leitzinserhöhung der EZB angestiegen.

Darüber hinaus beruht die Höhe des Darlehenszinses für Immobilien vor allem auf der Bonität und dem Eigenkapital des Kreditnehmers. Je mehr Eigenkapital in die Finanzierung eingebracht wird und je besser die Finanzkraft des Antragstellers ist, desto niedriger werden die Kreditzinsen sein, weil sich damit die Rückzahlungsrisiken für das Kreditinstitut minimieren. Weitere Einflussfaktoren auf die Zinshöhe von Baufinanzierungen sind beispielsweise der Wert der finanzierten Immobilie, der von Standort, Zustand und der Konjunktur abhängt, oder die Dauer der Sollzinsbindung.

Baufinanzierungen

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Das allgemeine Zinsniveau beeinflusst die Höhe der Zinsen im Kreditvertrag. Prognosen über die künftige Zinsentwicklung gestalten sich sehr schwierig. In einem Umfeld steigender Leitzinsen sind von Kreditinteressenten mit ausreichend finanziellem Spielraum schnelle Entscheidungen gefragt. Sie sollten die Veränderung der Renditen deutscher 10-jähriger Staatsanleihen aufmerksam verfolgen und sich die im historischen Zinsvergleich immer noch günstigen Konditionen sichern. Mit einer langen Zinsbindungsfrist kann der Einfluss steigender Leitzinsen auf die Finanzierung begrenzt werden, sodass die Zinswende für diese Immobilieneigentümer vorerst keine Auswirkungen hat.

Traum vom Eigentum

Mit zinsgünstigen Baufinanzierungen konnten sich im letzten Jahrzehnt Verbraucher aus allen Schichten der Bevölkerung ihren Traum vom Eigentum erfüllen. Personen, die sich nur dank der Nullzinspolitik ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung hätten leisten können, müssen sich in den kommenden Jahren bei steigenden Inflationsraten von ihrem Eigenheimtraum verabschieden. Baufinanzierungen ohne Eigenkapital sind im Allgemeinen sowohl für Kreditgeber als auch Kreditnehmer zu riskant. Tendenziell war es bereits in der Vergangenheit für Normalverdiener schwer, ein geeignetes Immobilienobjekt zu finden. Insbesondere in Großstädten und ihrem Umland sind in den letzten Jahren die Immobilienpreise exorbitant angestiegen, weil aufgrund der Niedrigzinspolitik der Zentralbank viel Geld mangels hochverzinslicher, sicherer Alternativen in Immobilien als Kapitalanlagen floss. Jedoch ist der Markt für Immobilien generell sehr heterogen, sodass jede Finanzierung mit jedem Objekt individuell beurteilt werden muss.

Fazit

Die Leitzinsentwicklung verursacht zwar keine unmittelbar steigenden Baufinanzierungszinsen, der Immobilienmarkt bleibt dennoch nicht vom Anstieg der Leitzinsen verschont. Er erhöht den Bedarf an bezahlbaren Immobilien, da Käufer, die eine Zinserhöhung erwarten, sich rasch die noch günstigen Kreditkonditionen auf lange Sicht sichern möchten. Befürchten Kaufwillige einen weiteren Anstieg der Inflationsraten und damit der Leitzinsen, erhöht das temporär das Kaufinteresse an Liegenschaften. Andere Faktoren wirken dem entgegen.

Kaufwillige mit wenig Eigenkapital können sich den Immobilienerwerb nicht mehr leisten, für sie sind Objektpreise und Kredite unerschwinglich geworden. Diese gegenläufigen Tendenzen könnten dafür sorgen, dass die Preise am Immobilienmarkt im Vergleich zum Vorkrisenniveau ein wenig nachgeben. Solange sich das Angebot auf dem Markt für Immobilien nicht drastisch erhöht, ist jedoch mit keinem signifikanten Rückgang der Immobilienpreise zu rechnen. Die Zinswende wird zwar am Grundstücksmarkt für mehr Selektion sorgen, ihn aber nicht grundsätzlich einbrechen lassen. So könnte die Zinswende dazu beitragen, dass sich die Preise für Eigentum in Ballungsgebieten wieder den langjährigen Durchschnitten annähern.