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Wie Anpassungen der Umsatzsteuer in der Landwirtschaft für Veränderungen sorgen

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Ab dem Jahr 2022 ändert sich die Umsatzsteuer in der Landwirtschaft. Bei der vereinfachten Besteuerung gelten ab dem 01.01.2022 nicht mehr 10,7, sondern nur noch 9,5 Prozent. Es handelt sich hier um ein Gesetz des Deutschen Bundestages, die Zustimmung des Bundesrates dazu erfolgte am 17.12.2021. Doch was hat sich dadurch für Landwirte verändert?

Die Neuregelung der Gesamtumsatzgrenze sorgt bei pauschalierenden Betrieben für Verluste. Sinkt der Vorteil aus der Pauschalierung doch um satte 1,2 Prozent. Von den negativen Auswirkungen sind insbesondere Tierhalter betroffen. Aus Fachkreisen wird berichtet, dass Mastbetriebe pro Schwein etwa 1,50 Euro Einbußen verkraften müssen. Bei Milchviehhaltern werden sogar Verluste von 40 Euro pro Kuh im Jahr vorausgesagt. Das Bundesfinanzministerium hat berechnet, dass durch die Umsatzsteueränderung die gesamte Landwirtschaft in diesem Jahr mit einem Minus von 80 Millionen Euro rechnen muss.

Kritik im Vorfeld

Bereits im Vorfeld gab es Kritik an der neuen Umsatzsteuer in der Landwirtschaft und dem Gesetzentwurf. Der Kritik wurde aber kein Gehör geschenkt. Die Neuberechnung vom Umsatzsteuer-Durchschnittssatz bezog sich auf die Jahre 2017 bis 2019. Der neue Satz sollte schon zum 01.01.2022 gelten. Für Betriebe, die Umsätze von mehr als 600.000 Euro pro Kalenderjahr erzielen, darf bereits seit Januar 2022 keine Pauschalierung mehr vorgenommen werden. In den Vorberechnungen für die Neuerungen waren diese Betriebe aber dennoch enthalten und eine Verzerrung der Kalkulation war die Folge. Es wurde Kritik an der Regierung geübt, sie hätte die Höfe mit besonders hohen Umsätzen aus der Kalkulation herausrechnen müssen. Falls sie dies getan hätte, würden die Ergebnisse nicht mehr ganz so stark zu Buche schlagen. Aber alle kritischen Einwände wurden abgewiesen.

Lediglich die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe, die im Vorjahr Umsätze in Höhe von 600.000 Euro nicht überschritten hatten, dürfen laut § 24 Umsatzsteuergesetz (UStG) im Jahr 2022 noch pauschalisieren. Nicht nur Gewinne aus Verkäufen von Produkten aus dem Hofbetrieb, sondern auch landwirtschaftliche Dienstleistungen zählen zum Gesamtumsatz. Außerdem sind auch alle Umsätze, die der Regelbesteuerung unterliegen, wie auch aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage, in den Gesamtumsatz einzubeziehen.

Finanzplanung anpassen

Sollten Sie Ihre Umsätze pauschalieren, dürfen Sie ab Januar 2022 Ihren Kunden für den Verkauf Ihrer Produkte nur noch die deutlich geringere Umsatzsteuer berechnen. Als Folge fällt der Ihnen zustehende Ersatz für den fehlenden Vorsteuerabzug ebenfalls niedriger aus.

Viele Betriebe müssen ihre Lage nun neu bewerten und ihre Finanzplanung anpassen. Für einige könnte es sich durchaus lohnen, in die Regelbesteuerung zu wechseln. Niedrige Preise bescheren so manchem Betrieb Verluste und machen nicht selten eine Betriebsteilung erforderlich, damit sie die Pauschalierungsgrenze von einem maximalen Umsatz in Höhe von 600.000 Euro pro Jahr einhalten können. Wenn Sie sich in einer solchen Situation befinden und über eine Betriebsteilung nachdenken, sollten Sie sich bewusst sein, dass diese einen hohen Aufwand erforderlich macht.

Gesamtumsatzgrenze einhalten

Wichtig für Sie als Land- oder Forstwirt ist die Ermittlung und die Einhaltung der Gesamtumsatzgrenze. Es sollte im Notfall in Betracht gezogen werden, einen größeren Maschinenverkauf, wie beispielsweise die Veräußerung von einem Hoftraktor, eher in das nächste Jahr zu verschieben. Sie sollten auf jeden Fall alle Ihre aktuellen Umsätze und Eingangsleistungen auflisten und unterschiedliche Szenarien durchspielen, wie sich die neuen Steueranpassungen auf Ihren Betrieb in den Folgejahren auswirken könnten.

Sie planen bestimmte Investitionsmaßnahmen? Hier lohnt es sich häufig, die Option der Regelbesteuerung in Betracht zu ziehen. Dies wurde auch schon in der Vergangenheit vor Einrichtung der neuen Umsatzsteuergrenze empfohlen. Sollten Sie sich als Land- oder Forstwirt für die Regelbesteuerung entscheiden, sind Sie verpflichtet, diese Absicht dem Finanzamt bis zum 10. Tag des folgenden Jahres anzuzeigen.

Gute Aussichten für das Folgejahr

Mittlerweile wurde festgelegt, dass die Regierung die Pauschalierungsgrenze regelmäßig einmal im Jahr prüfen und den Gegebenheiten anzupassen hat. Im Jahr 2023 könnte der Pauschalierungssatz dann tatsächlich auch wieder höher ausfallen.

Die Bundesregierung wurde vom Gesetzgeber verpflichtet, die pauschalierenden Land- und Forstwirte bezüglich der Höhe ihrer Vorsteuerbelastung hin zu überprüfen. Hierzu werden makroökonomische Daten herangezogen, mithilfe derer eine Neufestlegung des Steuersatzes erfolgen kann. Ein zu hoher Durchschnittssteuersatz ist nach Unionsrecht unzulässig und führt im schlimmsten Fall zu Steuerausfällen.
Durch das „Gesetz zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben im Umsatzsteuerrecht“ ist diese Vorgabe rechtlich möglich und die Absenkung des Pauschalsteuersatzes von 10,7 auf 9,5 Prozent für landwirtschaftliche Erzeugnisse zum 01.01.2022 zulässig. Da der Pauschalsteuersatz sehr kurzfristig geändert und erst am 29.12.2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde, konnten viele land- und forstwirtschaftliche Unternehmen notwendig gewordene Änderungen so schnell gar nicht zur Umsetzung bringen.

Regelbesteuerung

Falls Ihr Unternehmen im Jahr 2021 die Umsatzgrenze überschritten hat und Sie unterliegen ab dem 01.01.2022 der Regelbesteuerung, sollten Sie unbedingt beachten, dass zusätzlich Anmelde-, Aufzeichnungs- und Zahlungsverpflichtungen entstehen können. Außerdem sollten Sie prüfen bzw. prüfen lassen, ob Sie auch nachträglich einen Vorsteuerabzug für Investitionen aus den vergangenen fünf bis zehn Jahren einbeziehen dürfen.

Wenn Sie von der Besteuerung nach dem Durchschnittssatz zur Regelbesteuerung wechseln, führt dies nach § 15a UStG zu einer Veränderung der Verhältnisse. So ist, wenn alle weiteren Voraussetzungen vorliegen, ein nachträglicher, anteiliger Vorsteuerabzug möglich.

Pauschalierung

Bisher gilt in der Land- und Forstwirtschaft eine Sonderregelung bei der Abrechnung der Umsatzsteuer, landläufig auch unter Mehrwertsteuer bekannt. Aus Gründen der vereinfachten Abrechnung dürfen Landwirte in der Europäischen Union anders abrechnen als andere Gewerbetreibende. Auf ihre Verkaufserlöse konnten sie bisher von den Abnehmern ihrer Waren und Dienstleistungen 10,7 Prozent Umsatzsteuer berechnen und müssen den Betrag nicht an das Finanzamt abführen. Im Umkehrschluss bekommen Landwirte keine Erstattung auf die Umsatzsteuer, die sie selbst auf Maschinen, Dünger, Futtermittel etc. vom Finanzamt zurückerstattet. Mit dieser Vorgehensweise der Pauschalierung sollen Landwirt und Staat auf Null herauskommen und überflüssiger Verwaltungsaufwand vermieden werden.

Verdecke Subventionierung?

Es kam jedoch mittlerweile zu einer Klage der EU-Kommission gegen Deutschland. Nach EU-Meinung ist die Vereinfachungsregelung in der Vergangenheit zu günstig für die Gesamtheit der Land- und Forstbetriebe ausgelegt worden. Denn nicht nur Kleinbetriebe profitieren von der Pauschalierung, sondern auch die größeren landwirtschaftlichen Unternehmen. In einem Vertragsverletzungsverfahren wurde Deutschland Wettbewerbsverzerrung auf dem Binnenmarkt vorgeworfen.
Diese Vorwürfe wurden auch von anderen EU-Ländern, insbesondere Frankreich unterstützt. Der Pauschalsteuersatz wurde als zu hoch bewertet. Man vermutete hier eine verdecke Subventionierung deutscher Landwirte. Speziell den deutschen Schweinehaltern würden durch die Umsatzpauschalierung eine Sonderförderung oder unzulässige Beihilfe gewährt, so die EU-Kommission.

Umsatzsteuerdeckel

In der Konsequenz, vorbehaltlich der Meinung des Europäischen Gerichtshofs, drohten den betroffenen Unternehmen Steuerrückforderungen in hohem Ausmaß, wobei der Zeitraum der letzten zehn Jahre zugrunde gelegt wurde. Das hätte ein großes Dilemma für die betroffenen Betriebe zur Folge gehabt. Daher hat die Bundesregierung entschieden, einen Umsatzsteuerdeckel einzuführen. Hätte die Regierung hier nicht gehandelt, wäre es für einige land- und forstwirtschaftliche Unternehmen zu noch bittereren Einbußen gekommen.
Hat ein Betrieb einen jährlichen Nettoumsatz von mehr als 600.000 Euro, darf nun nicht mehr pauschaliert werden. Der Pauschalierungssatz soll jetzt jedes Jahr erneut geprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Für einige Betriebe kann es sich sogar durchaus lohnen, in die Regelbesteuerung zu wechseln. Betroffene Betriebe sollten sich daher genau über ihre Möglichkeiten informieren und einen Wechsel in die Regelbesteuerung in Erwägung ziehen.

Welche Auswirkungen haben die Veränderungen?

Die Neuregelungen sollen im Jahr 2022 Schätzungen zufolge eine Mehrbelastung für die betroffenen Betriebe in Höhe von bis zu 80 Millionen Euro bedeuten. Im Jahr 2025 soll sich diese Mehrbelastung sogar auf 365 Millionen Euro aufsummiert haben. Der Pauschalsatz von 10,7 Prozent ab 2022 wäre laut Bundesregierung jedoch zu hoch gewesen, da die Betriebe in diesem Fall Steuererstattungen erhielten, die die Vorsteuerbelastung überschreiten würden. Folge daraus wären Steuerausfälle, die mit unzulässigen Beihilfen gleichzusetzen wären. Ein entsprechendes Verfahren der EU-Kommission wäre dann die Folge.

Neuen Steuersatz verwenden

Gegen Deutschland ist aufgrund der bisherigen Praxis bereits ein Vertragsverletzungs- und Beihilfeverfahren bei der EU anhängig. Mit der neuen Pauschalierungsregelung soll daher auch vermieden werden, dass betroffene Betriebe Rückzahlungen leisten müssen. Falls Ihr Betrieb betroffen ist, sollten Sie ab dem Jahr 2022 darauf achten, auf Ihren Rechnungen den neuen Steuersatz von 9,5 Prozent auszuweisen.
Der bisher geltende Steuersatz von 10,7 Prozent wurde in Deutschland vor vielen Jahren relativ willkürlich eingerichtet. Deshalb sollen die Steuersätze in Zukunft auch jährlich geprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Nur am Anfang würde er 9,5 Prozent betragen. Führen Sie einen landwirtschaftlichen Betrieb der Urproduktion, müssen Sie keine Umsatzsteuererklärung erstellen und daher auch keine Mehrwertsteuer an das Finanzamt abführen.

Fazit

Die Umsatzsteuersenkung trifft land- und forstwirtschaftliche Betriebe zum Teil hart. Jedoch kann die deutsche Gesetzgebung nicht anders handeln, denn ihr sind aufgrund der Kritik der benachbarten EU-Staaten die Hände gebunden. Die künftige Pauschalierungsform stellt einen Kompromiss zwischen den anderen EU-Mitgliedsländern und den deutschen Landwirten dar. Als betroffener Betrieb sollten Sie sich genau informieren, ob das weitere Pauschalieren für Sie Sinn macht oder Sie gegebenenfalls mit der Regelbesteuerung besser beraten wären.

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